Die Lage in Haiti bleibt unverändert angespannt, am gestrigen Tage haben aufgebrachte Demonstranten die Parteizentrale der amtierenden Partei gestürmt und haben erheblichen Sachschaden verursacht. Derweil versucht Präsidentschaftskandidat Michel Martelly die Lage vor Ort zu beruhigen, indem er seine Anhänger per Radiobotschaft zur Besonnenheit aufruft. Der gewaltsame Vorfall ereignete sich als das Gerücht aufkam, die amtierende Partei hätte Wahlfälschungen bei der ersten Wahlrunde zur Wahl des Präsidenten vorgenommen, zu Gunsten des amtierenden Präsidenten René Préval. Michel Martelly ist den Ergebnissen der ersten Wahlrunde zur Folge schon in der ersten Runde ausgeschieden, seine Anhänger wittern Wahlbetrug.
Das Land Haiti ist in wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört, der erste unabhängige Staat der Karibik (1804 aus französischer Herrschaft) musste hohe Summen der Entschädigung an Frankreich entrichten. Mehrere Diktaturen („Papa Doc“ Duvalier bis 1971, „Babay Doc“ Duvalier bis 1986) richteten das Land zugrunde, eine US-Intervention 1994 konnte die soziale Lage des Inselstaates nicht verbessern. Haiti zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und gilt bei einigen Politwissenschaftler als „Failed State“ (wie Somalia).
Das große Erdbeben von Januar 2010 mit 300.000 Toten und 1,2 Millionen Obdachlosen, die folgende Cholera-Epidemie mit über 1500 Toten und der Hurrikan Tomas haben die Lage der Bevölkerung aufs Äußerste strapaziert. Nun wurden bei Ausschreitungen in der Hauptstadt Port-au-Prince am Dienstag gar Schüsse vernommen, die Proteste hielten am Mittwoch an. Das Gebäude der Partei Inite ging in Flammen auf.
Einige anwesende internationale Wahlbeobachter bestätigen indes Ungereimtheiten beim Wahlvorgang. Michel Martelly erkennt das Wahlergebnis nicht an und hat Zeit bis zum 10. Dezember Widerspruch gegen das Wahlergebnis einlegen. Ob die Lage auf der Insel sich entspannen wird, bleibt so lange fraglich, wie die Grundversorgung eines Großteils der Bevölkerung nicht sicher gestellt werden kann.