Die erklärte Wunschkoalition von CDU, CSU und FDP ist heillos zerstritten, ja mehr noch, wirkt kopf- und ziellos. Schon im Wahlkampf 2009 hatten sich die Parteien auf diese Wunschkoalition festgelegt, dennoch scheint es, als ob kein Fettnäpfchen ausgelassen wird. Erst die Affäre um Kunduz mit einem ausscheidenden Verteidigungsminister Jung, dann das Nein der Bundeskanzlerin Merkel zur Rettung Griechenlands und damit des Euros, dann doch ihr Ja zum Rettungsschirm, ein genauso unstetes Verhalten zur Staatsbeihilfe für Opel (ja, nein, dann doch vielleicht, aber nein), dann die Streitigkeiten um das Sparpaket, vielleicht doch eine Steuererhöhung usw. Zu allem Überfluss tritt Bundespräsident Köhler zurück, erst soll es von der Leyen richten, dann doch Ministerpräsident Wulff, nun gilt die sichergeglaubte Wahl Wulffs zum Bundespräsident doch nicht so sicher zu sein. Dann die Vorschläge des Bundesgesundheitsministers zur Rettung der Krankenkassen, dann die Gegenangriffe aus der CSU. Eine stabile Regierungsführung sieht anders aus, gut möglich dass Merkel sich mit Wehmut an die Große Koalition erinnert.
Der Ton wird rauer in der politischen Landschaft, „Wildsau“ und „Gurkentruppe“, um einige Liebkosungen wiederzugeben. Nein, diese kommen nicht aus der Opposition, sondern aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition. Zwar leben wir nicht in einer Parteiendiktatur, inner- und zwischenparteiliche Diskussionen gehören zur demokratischen Kultur, doch eine gepflegte Streitkultur sieht eben anders aus. Das politische Theater in Berlin wäre längst nicht so gravierend, wenn nicht faustdicke Probleme vorliegen würden. Das Loch in der Haushaltskasse, gravierende und der Bevölkerung zumutende Sparmaßnahmen, die Frage der Atommeiler, ein Außenminister der mehr Innenpolitik macht als Brennpunkte in der Außenpolitik aufzusuchen (z.B. Iran) und die größte Finanzkrise seit 1929, deren Folgewirkungen noch auf Jahre zu spüren sein werden.
Dazu passen immer wiederkehrende Rücktrittsgerüchte (wurden ernsthafte Konkurrenten Merkels abgesägt? Z.B. von der Leyen und Guttenberg?). Die längst totgeglaubte SPD braucht bei solch einer Regierungskoalition und Regierungsarbeit keine wirkliche Oppositionsarbeit leisten, sie kriegt so viele Steilvorlagen, dass sie schlicht überfordert wirkt. Dennoch kann die SPD sich entspannt zurücklehnen, die Regierung übernimmt schon ihre Aufgaben. Gut nur, dass DVU und NPD pleite sind, als dass sie sich als Protestpartei positionieren können, da gibt es aber noch die Linke, trotz fehlender Parteiprogrammatik wird sie in den nächsten Wahlen nochmals zulegen, wetten?
Und die bisherige Masche, große Zumutungen während einer Fußball-WM zu verabschieden, scheint diesmal nicht aufzugehen. Die (zum Teil) gewalttätigen Demonstrationen in Stuttgart und Berlin können lediglich den Auftakt bilden. Die Zumutbarkeitsgrenze der arbeitslosen Schichten ist durch keine Arbeitslosenhetze a la FDP aufzuwiegen, der soziale Frieden könnte in Deutschland gefährdet sein. Die 1.Mai-Kundgebungen in Kreuzberg und Hamburg sind noch ausbaufähig, die Banlieues aus Frankreich lassen grüßen. Wohlgemerkt, das alles ist nur eine Momentaufnahme. Nichts ist so unstet wie der Sommer in Mitteleuropa, dichtgefolgt von der politischen Großwetterlage in Deutschland. Schon morgen kann Merkel als große Gewinnerin gelten, oder aber eine neue Partei etabliert sich (nein, nicht die Piratenpartei). Steht zu befürchten, dass die soziale Lage in Deutschland auch rauer wird, verdenken kann man ihr es nicht.
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