Anlässlich eines Treffens in London haben Frankreich und Großbritannien neue Verträge abgeschlossen, die in Zukunft die Zusammenarbeit auf militärischem und atomaren Gebiet enger zusammenführen soll. Der Premierminister Großbritanniens David Cameron sprach gar von einem neuen Kapitel der Beziehungen zwischen beiden EU-Staaten. Der französische Präsident NicolasSarkozy betonte, die Zusammenarbeit würde die Bürger beider Staaten besser schützen, zudem könne man somit Geld einsparen. Die neue Qualität der Zusammenarbeit lässt die Frage aufkommen, ob in Europa, noch mehr innerhalb der EU, ein Wechsel der Mächtekonstellationen eintritt, ob die französisch-britische Zusammenarbeit die deutsch-französische Achse in Zukunft ablösen wird.
Den Plänen zu Folge wollen Großbritannien und Frankreich jeweils ein Forschungszentrum für die Entwicklung von atomaren Waffen einrichten. Weiterhin planen beide Staaten eine gemeinsame militärische Eingreiftruppe, die den neuen Anforderungen in der Welt gerecht werden. Die Zusammenarbeit soll gleichzeitig sicher stellen, dass beide Staaten auch in Zukunft unterschiedliche Ziele verfolgen sollen. Cameron sagte: “ Großbritannien und Frankreich sind, und werden es in Zukunft bleiben, souveräne Staaten, fähig unabhängige bewaffnete Kräfte aufzustellen, um nationale Interessen zu verfolgen, wenn wir wünschen dies zu tun.“ Doch in jüngster Vergangenheit haben beide Staaten stets im Verbund mit anderen alliierten Streitkräften ihre Operationen verfolgt, die Ausnahme stellt hier der letzte Irakkrieg dar. Die Zusammenarbeit bei der Entwicklung atomarer Waffen werde die Beziehung beider Staaten enger zusammenführen, als es in den letzten 50 Jahren der Fall war, so Cameron weiter.
Die neue Eingreiftruppe wird 10.000 Mann zählen, beide Staaten entsenden jeweils zur Hälfte die benötigten Truppen. Das Kommando soll bei Einsätzen ein Befehlshaber inne habe, der von beiden Staaten ausgesucht wird. Zudem soll stets ein Flugzeugträger auf hoher See bleiben, der von beiden Streitkräften angeflogen werden kann (Großbritannien hat zwei, Frankreich einen Flugzeugträger). Beide Seiten wollen in Zukunft auch die Transportmaschinen Airbus A400 M gemeinsam nutzen. Doch gleichzeitig stellt Cameron sicher, dass die Kooperation zwischen Großbritannien und Frankreich nicht den Versuch darstelle, eine EU-Armee zu gründen, vielmehr ergibt sich das Bild, dass beide Staaten Partikularinteressen wahr nehmen und insgesamt einer EU-Armee eine Absage erteilen.
Auf die Frage eines Reporters, was mit der gemeinsamen Eingreiftruppe geschähe wenn ein Land an einer Operation nicht teilnehmen will, sagte Cameron, man werde dies in einer Taskforce jeweils individuell entscheiden. Die gemeinsame Eingreiftruppe steht außerhalb der so genannten EU-Battlegroup, die auf französisch-britische Initiative 2004 gegründet wurde. Die EU Battlegroup soll bei Bedarf sicher stellen, dass EU Staaten einen gemeinsamen Truppenverband aufstellen können, je zwei Battlegroup werden stets abwechselnd am laufen gehalten, um eine kurzfristige Einsatzmöglichkeit sicherstellen zu können. Dennoch ist die EU Battlegroup eher eine Antwort auf die gescheiterte Initiative zur Gründung einer EU-Eingreiftruppe (bis zu 60.000 Mann) im Jahre 1999.
Die Vereinbarungen kommen auch dem Sparzwang der Tory-Liberals Koalition in Großbritannien zu Gute, hat doch die britische Regierungen vor zwei Wochen Kürzungen auch im Wehr-Etat verkündet. Die britische Armee hatte eigentlich geplant, ihre atomaren Sprengköpfe (offiziell 255) durch neue zu ersetzen, nun sollen die bestehenden Waffensysteme lediglich modernisiert werden. Frankreich hat angekündigt, ab 2014 in Valduz ein Forschungszentrum (Simulationsprogramm) für Atomwaffen betreiben zu wollen, britische Wissenschaftler sollen aus Berkshire unterstützend mitwirken.
Eine Frage, die aufgeworfen wird, ist die der deutsch-französischen Achse. Großbritannien war immer schon skeptischer, wenn es um EU-Inhalte ging, der eigentliche Motor für das Zusammenwachsen in Europa waren Frankreich und Deutschland. In den vergangenen 20 Jahren gab es zwar zwischen beiden Ländern ein stetiges Auf und Ab, doch innerhalb der EU kooperieren beide Staaten am Engsten. Ob in Zukunft eine trilaterale Beziehung zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland entstehen wird, bleibt abzuwarten.