Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP) hat gestern einen Vorschlag zur Gesundheitsreform unterbreitet, um das Defizit der Krankenkassen von erwarteten 11 Milliarden Euro für das nächste Jahr aufzufangen. Demnach sollen alle 50 Millionen Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) monatlich 30 Euro zusätzlich bezahlen. Im Gegenzug soll der Arbeitnehmeranteil der Beiträge von derzeit 7,9 % des Bruttolohnes auf 7,3 % gesenkt werden, für Geringverdiener bis zu 1000 Euro sogar auf 5 % gesenkt werden. Gleichzeitig soll nach Rösler der Arbeitgeberanteil von derzeit 7,0 % auf 7,3 % gesteigert werden. Insgesamt erhofft sich Bundesgesundheitsminister eine Einnahmenerhöhung durch besagte Gesundheitsreform von 18 Milliarden Euro.
Den Plänen zu Folge soll die Kopfpauschale schon ab 2011 erhoben werden. Sie wird unabhängig von Gesamteinkommen des Versicherten erhoben. Die große Kopfpauschale war schon immer ein Lieblingsanliegen der Liberalen, demnach wird der Beitrag per Pauschale erhoben, unabhängig vom Einkommen. Um Geringverdienern unter die Arme zu greifen sollen Steuermittel aufgebracht werden, um eine sooziale Gerechtigkeit zu erlangen.
Erwartungsgemäß haben sich viele kritische Stimmen gemeldet, so kritisieren unter anderem die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke das Vorhaben. Auch Gewerkschaften kündigten an, sich gegen diese Pläne wehren zu wollen. Der Koalitionspartner CSU stellt sich auch ganz klar gegen die angekündigte Reform. Der Gesundheitsminister aus Bayern, Markus Söder (CSU), sagte, dass die geplante Reform ungerecht und bürokratisch sei. In der Tat hat die FDP ihre Pläne der große Kopfpauschale mit eingebundener Ausgleichung mit Steuermitteln vorerst fallen gelassen, weil der bürokratische Aufwand zu groß gewesen wäre.
Die Gewerkschaften äußern ihre Befürchtung, dass die Einführung der Kopfpauschale den Ausstieg aus der solidarischen Finanzierung der Gesundheitskosten gleichkäme. Und es steht wirklich zu befürchten, dass die Kopfpauschale jederzeit erhöht werden kann. Damit verwässert man die Unterschiede zwischen der GKV und der PKV (Private Krankenversicherung). Wer sich eine PKV leisten kann, hat in der Regel weit bessere Behandlungsmöglichkeiten (je nach Tarif der PKV, Einzelzimmeraufenthalt, Chefarztbehandlung, Kuren etc), zahlt aber auch in der Regel höhere Beiträge (Ausnahmen: Beamte, junge Singles etc.). Für viele kommt die PKV eh nicht in Frage (Angestellte müssen drei Jahre über 49.950 Euro verdienen, ansonsten Selbstständige, Freiberufler etc). Die GKV ist jetzt schon ziemlich verwässert, so müssen Patienten Zusatzversicherungen abschließen, wenn sie bezahlbaren Zahnersatz haben möchten. Daneben gibst es andere Zusatzversicherungen, die die gesetzlichen Krankenkassen anbieten, um bestimmte Vorzüge im Krankheitsfall zu genießen.
In der Regel lautet die Kritik, dass die Kosten im Gesundheitssektor „explosiv“ gestiegen seien. Wer genauer hinschaut, wird schnell merken, ja, in absoluten Zahlen stimmt dies auch. Wer aber die Kosten in Relation zur Gesamtwirtschaftsleistung setzt, wird feststellen können, dass die Kosten über Jahrzehnte hinweg stets konstant bei ca. 10 % des BIP liegt. Denn nicht jede Neuerung in der Medizin ist ein negativer Kostenfaktor, trotz steigender Lebenserwartung und dementsprechend steigender Kosten; der Krankenhausaufenthalt wird immer kürzer, die Behandlungsmethoden immer raffinierter etc. Es ist nicht die Frage der Ausgabenseite, sondern vielmehr der der Einnahmeseite. Die Löhne und Gehälter (Hauptfinanzierungsquelle der GKV!) sind in den letzten Jahren in Deutschland konstant geblieben, im Vergleich mit den EU-Nachbarn sogar gesunken. Wenn nun Löhne und Gehälter im gleichen Maßstab gestiegen wären, wie die Wirtschaftsleistung, gäbe es auch mehr Einnahmen in der GKV. Dass die FDP dies nicht verstehen will, liegt auf der Hand. Gewerkschaften und SPD können diesen Zusammenhang anscheinend nicht verstehen.
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