Die Proteste gegen die Regierung von Mubarak finden kein Ende, nun sollen erste informelle Gespräche am Sonntag eine Klärung der Lage in Ägypten bringen, mit an Bord sind Mitglieder der so genannten Muslimbruderschaft. Die Muslimbruderschaft werde nach eigenen Bekundungen sich anschauen, wieweit das Regime in Kairo auf die Bedürfnisse des ägyptischen Volkes eingehen werde. Offiziell ist die Organisation der Muslimbruderschaft verboten, wird aber seit Jahren toleriert. Obschon eine Tätigkeit als Partei verboten bleibt, zählt die Muslimbruderschaft als stärkste oppositionelle Bewegung in Ägypten.
Die Muslimbruderschaft, die ihre Popularität insbesondere durch ihre karitative Tätigkeit in den Armenvierteln Ägyptens errungen hat, wurde schon 1928 in Ägypten gegründet. Anfangs arbeitete die Muslimbruderschaft strikt karitativ und bewarb dabei einen „ursprünglichen“ Islam. Im Laufe der Zeit befürworteten sie immer mehr einen bewaffneten Kampf, z.B. gegen die Besatzung der Briten. Doch auch Israel wird stets von der Muslimbruderschaft ideologisch angegriffen, zuweilen propagiert sie ein Agitieren gegen unislamische Regierungen. Doch in der aktuellen Krise hält sich die Muslimbruderschaft auffällig zurück, obwohl sie durch das Mubarak-Regime verfolgt wurde.
Abspaltungen von der Muslimbruderschaft, wie beispielsweise at-Takfir wa’l-Higra , die ehemalige Al-Dschihad, die al-Dschamaʿa al-islamiyya (indirekt auch die Hamas), lassen die Bruderschaft gemäßigt erscheinen. In der Tat verhält sich die Muslimbruderschaft weit pragmatischer, als ähnliche Organisationen in anderen Ländern. Sie tritt indirekt zur Wahl an, spricht sich für eine demokratische Ordnung aus etc. Daher nimmt es nicht wunder, dass die radikale Strömung der Salafisten sich in direkter Konkurrenz zur Bruderschaft sieht. In vielen arabischen Regionen, wie Tunesien oder Syrien, existieren Ableger der Bruderschaft, alleine in Ägypten soll die Organisation über eine Million Anhänger verfügen.
Zum heutigen Tag werden erstmals seit einer Woche Banken ihre Pforten öffnen. Die Nacht von Samstag auf Sonntag blieb relativ ruhig, noch immer harren etliche Menschen auf dem Tahir-Platz aus. Doch auch wenn die Parteiführung der Nationaldemokratischen Partei ausgewechselt wurde, bislang gibt sich Mubarak wenig kompromissbereit. Mubarak regiert Ägypten seit 1981 faktisch als Diktator, viele Menschen wollen ihn zur Abdankung zwingen. Sein Vorgänger Sadat wurde durch radikale Islamisten getötet. Die massiven Proteste in Ägypten haben auch wirtschaftliche Folgen, so will die Regierung den Schaden mit 310 Millionen Dollar pro Tag ausgemacht haben.
Der so genannte Westen macht derweil keine gute Figur, die Staatschefs sind sich uneins über die Beurteilung der Lage in Ägypten. Während Berlusconi Mubarak als Politiker feiert und einen Wandel mit ihm propagiert, distanzieren sich andere Regierungschefs wie Merkel vom Diktator Mubarak. Gestern noch galt Mubarak als Garant für ordentliche Verhältnisse und als Bollwerk gegen den Islamismus, heute heißt das Diktatur. Die zögerliche Haltung der USA hat immensen Schaden verursacht.
Derweil spricht das Auswärtige Amt eine deutliche Reisewarnung für Ägypten aus, Reisen nach Kairo, Alexandria und Suez gelten als gefährlich. Doch insgesamt sollten Reisende Ägypten derzeit meiden, und wenn man sich schon nicht abbringen lässt, sollten Reisende die Ausgangssperren beachten, sowie Menschenmengen meiden. Ausreisewillige aus Ägypten können die Deutsche Botschaft (Rufnummer aus Ägypten 00202 27 28 20 00) kontaktieren. Das Auswärtige Amt hat überdies einen Krisenstab eingerichtet und bietet Hilfe unter der Rufnummer +49 30 5000 3000. Auch die Lufthansa hat eine Notrufnummer eingerichtet, hier lautet sie +49 30 50570341. Alles in Allem gilt es noch abzuwarten, wie sich die Lage in Ägypten entwickeln wird, und welche Ausstrahlungskraft das Resultat haben wird.