Das Kreditprogramm der Euro-Staaten zur Verteidigung der gemeinsamen Währung ist deutlich kleiner als bisher bekannt. Das geht aus einem Schreiben der Bundesregierung hervor, das der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwochausgabe) vorliegt. Demnach können sich die Mitgliedsländer der Währungsunion im Krisenfall untereinander bis zu 366 Milliarden Euro leihen.
Bislang war stets von 440 Milliarden Euro die Rede gewesen. Insgesamt umfasst der sogenannte Euro-Rettungsschirm nach bisheriger Lesart ein Kreditvolumen von 750 Milliarden Euro: 60 Milliarden Euro kommen von der EU-Kommission, 250 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und 440 Milliarden von den 16 Euro-Ländern. Letztere werden ihre Zusage aber nicht einlösen können, da die großen Ratingagenturen von ihnen verlangen, dass die Darlehen um bis zu 20 Prozent „übersichert“ werden. Das bedeutet: Benötigt ein Land Hilfen in Höhe von beispielsweise 100 Milliarden Euro, müssen die Euro-Partner dafür eine Bürgschaft von 120 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Der Gesamtrahmen von 440 Milliarden Euro wird also erheblich schneller ausgeschöpft. Die Euro-Länder sind in der Hand der Ratingagenturen, weil die neugeschaffene Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) die Kredite in Form von Anleihen auf den internationalen Finanzmärkten aufnehmen muss. Verweigern die bürgenden Staaten die Übersicherung, versehen die Agenturen die Anleihen mit einer schlechteren Bonitätsnote, wodurch die Zinskosten steigen. Die Agenturen begründeten ihr Verhalten in internen Gesprächen mit der Sorge, dass einzelne Euro-Regierungen im Notfall nicht in der Lage sein könnten, für ihre Bürgschaften auch einzustehen. In einem Brief an die SPD-Haushaltsexperten Klaus Hagemann und Ewald Schurer bestätigt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), diesen Zusammenhang. Ziel der Euro-Staaten ist es demnach, für die EFSF die Topnote AAA zu erhalten. Um dies zu erreichen, würden notfalls „weitere Maßnahmen zur Stärkung des Ratings“ ergriffen. „Die insgesamt zur Verfügung stehende Darlehenssumme beläuft sich durch die 120-prozentige Übersicherung auf ca. 366 Milliarden Euro“, heißt es in dem Schreiben. Die Haftungsobergrenze der Bundesregierung in Höhe von 119 Milliarden Euro bleibe unangetastet. Streng genommen hätten die Bundestagsabgeordneten diesen Zusammenhang kennen können, da er Teil des Gesetzes über die deutsche Beteiligung an dem Rettungsschirm war. Allerdings wurde ebenjenes Gesetz im Mai im Eilverfahren durch das Parlament geschleust. Schurer sagte der Süddeutschen Zeitung, das Finanzministerium habe es versäumt, die Abgeordneten rechtzeitig über die jetzt bekannt gewordenen Einzelheiten zu unterrichten. „Der Rettungsschirm ist richtig, notwendig und ohne Alternative. Die Informationspolitik des Finanzministers war gemessen an der Größe und der Bedeutung des Pakets jedoch völlig unzureichend“, erklärte er. Nach seiner Einschätzung hätten „95 Prozent der Abgeordneten beispielsweise die Sache mit der Übersicherung nicht gewusst, als sie über das Gesetz abstimmten“. Schurer kritisierte zudem, dass im Krisenfall allein die Europäische Kommission, der IWF, die Euro-Finanzminister und die EFSF über die Vergabe von Krediten entscheiden sollen. „Eine Kontrolle durch die Parlamente findet nicht statt“, so der SPD-Politiker. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Kritik zurück. „Dem Parlament liegt das gesamte Vertragswerk vor. Die wichtigsten Elemente, einschließlich der Übersicherung, wurden zudem mündlich und schriftlich in den zuständigen Ausschüssen erläutert“, sagte er der SZ.
Diese Meldung der dts Nachrichtenagentur aus Brüssel wurde am 14.07.2010 um 01:00 Uhr mit den Stichworten DEU, EU, Wirtschaftskrise, Weltpolitik übertragen.