Manche Menschen sind sehr leicht genervt, wenn zum Beispiel jemand mit einer Plastiktüte raschelt, ein Neonlicht flackert, ein Schildchen im Pulli kratzt, die Luft stickig ist, es vom Fenster her zieht. Sie bemerken Einzelheiten in ihrer Umgebung, die anderen gar nicht auffallen, haben feine Antennen für die Stimmungen anderer. Sie sind diejenigen, die zwischen den Zeilen lesen, das Gras wachsen hören, Gespenster sehen; sie gelten als dünnhäutig, überempfindlich und mimosenhaft. Typische an sie gerichtete Aufforderungen sind „Sei doch nicht so empfindlich!“, „Stell dich nicht so an“, „Hör doch einfach nicht hin“ ….
Deutlich sensibler als die meisten anderen
Menschen unterscheiden sich in ihrer generellen Empfindlichkeit. Wenn Menschen ganz besonders sensibel sind, spricht man von Hochsensibilität. Hochsensible unterscheiden sich von Geburt an von der Mehrheit der Menschen durch ihre ausgeprägte Feinfühligkeit und Reizoffenheit, das heißt ihre erhöhte Empfänglichkeit für äußere und innere Reize – Geräusche, optische Eindrücke, Gerüche, Geschmacksempfindungen, Einwirkungen auf die Haut und den Körper (zum Beispiel auch durch Alkohol und Medikamente), Stimmungen anderer, eigene Emotionen und Körperempfindungen …
Durch ihr überaus empfindsames Nervensystem nehmen sie intensiver und detaillierter wahr, nehmen mehr Informationen auf als ihre Mitmenschen und verarbeiten diese gründlicher. Mit andauernden Geräuschen, Lärm, schlechter Luft, Zugluft, grellem Licht, Druck, Reibung, kratzigen Kleidungsstücken – um nur ein paar Dinge zu nennen – kommen sie weitaus schlechter zurecht als nicht hochsensible Menschen. Man geht davon aus, dass Hochsensible schwächere Wahrnehmungsfilter haben und daher störende Einflüsse kaum ausblenden können; in der Folge fühlen sie sich schnell abgelenkt und gestört.
Ein Charakteristikum, das allen Hochsensiblen gemeinsam ist: Im Vergleich zu nicht-hochsensiblen Menschen erreichen sie deutlich früher einen Zustand der Reizüberflutung und Überstimulation. Dann haben sie die Tendenz zum Rückzug, um wieder zu sich zu finden und sich zu erholen. Gibt es die Möglichkeit zur Regeneration nicht, werden sie unkonzentriert, reizbar und anfällig für Krankheiten.
Das Phänomen bekam einen Namen
Die amerikanische Universitätsprofessorin und Psychotherapeutin Dr. Elaine N. Aron hat sich seit den 90er Jahren in langjähriger Forschungsarbeit eingehend mit dem Thema Hochsensibilität auseinandergesetzt und auch zahlreiche Bücher veröffentlicht. Sie hat für hochsensible Menschen den Begriff „Highly Sensitive Person“ (HSP) geprägt. Die Abkürzung wird mittlerweile auch im deutschen Sprachraum verwendet. Ihre Erkenntnis: 15–20 % der Menschen (gleichermaßen Männer wie Frauen) gehören zu der Gruppe der Hochsensiblen.
Elaine Aron, selbst hochsensibel, plädiert für ein neues Selbstbewusstsein der HSP. Schließlich verfügen sie durch ihre besondere Wahrnehmung über eine Reihe wertvoller natürlicher Begabungen und Fähigkeiten: große Detailwahrnehmung, Abstraktionsvermögen, übergreifendes Denken, Feinfühligkeit, ausgeprägte Intuition, Sinn für Ästhetik, Einfühlungsvermögen …
Hochsensibilität geht mit besonderen Stärken einher
Hochempfindliche Menschen sind leichter zu irritieren, haben häufig Selbstzweifel und empfinden sich selbst aufgrund der Reaktionen ihrer Umwelt nicht nur als anders, sondern oft auch als nicht zugehörig, als nicht in Ordnung. Sätze wie „Was bist du für ein Sensibelchen“, „Was hast du jetzt schon wieder?“, „Mit dir ist es so schwierig“, „Das bildest du dir nur ein“, die sie in ihrem Leben unzählige Male gehört haben, haben sie tief verunsichert und ihr Selbstbild nachhaltig geprägt. Leider wird die Hochempfindlichkeit häufig als Makel oder gar als Krankheit angesehen, was den Hochsensiblen überhaupt nicht gerecht wird.
Es ist wichtig, hier aufzuklären, das Bild zurechtzurücken und die Stärken zu betonen. Es sind besonders die Hochsensiblen, die ausgesprochen verantwortungsbewusst, gewissenhaft und zuverlässig sind, die kreativ und integrativ wirken, die umsichtig sind, vorausschauend und in größeren Zusammenhängen denken, die sich für mögliche Auswirkungen von Handlungen interessieren, die sich mit viel Idealismus für eine Werteorientierung in der Gesellschaft einsetzen und echte Empathie und Mitmenschlichkeit zeigen. In der Vielfalt der Menschen liegt eine große Chance, weil jeder sich mit seinen Stärken und Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen kann.
Es hilft den hochempfindlichen Menschen, wenn sie Hochsensibilität als eine Spielart der Natur begreifen, wenn sie zu mehr Verständnis für sich selbst gelangen, sich selbst mit ihren Besonderheiten mehr achten und wertschätzen und ihre eigenen, besonderen Bedürfnisse wichtig nehmen. Oft haben sie sich über lange Zeit bis hin zur Selbstaufgabe angepasst. Um überhaupt ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln, gilt es für sie, die Wahrnehmung mehr auf sich selbst als auf ihre Umgebung zu richten. Im nächsten Schritt können sie für ihre Bedürfnisse eintreten, sich wo nötig abgrenzen und sich trauen, ihr Potenzial mehr und mehr zu entfalten.
Autorin: Ulrike Hensel, Coach für Hochsensible, www.coaching-fuer-hsp.de, 29.04.2011
Ulrike Hensel hat Angewandte Sprachwissenschaft studiert, eine Coaching-Ausbildung absolviert und sich intensiv weitergebildet; dabei sind ihre Schwerpunktthemen Sprache, Kommunikation, Persönlichkeitsentwicklung und Hochsensibilität. Sie arbeitet seit 1999 selbstständig als Lektorin und Textcoach und bietet seit 2010 auch ein Coaching für Hochsensible an. Selbst hochsensibel, möchte sie anderen zu diesem Thema erhellende und erleichternde Einsichten bieten und wirbt für ein wertschätzendes Miteinander von HSP und Nicht-HSP. In ihrer Arbeit wirkt sie außerdem darauf hin, dass Menschen immer mehr das tun, was sie besonders gut können und was ihren Anlagen und Vorlieben entspricht.
Buchempfehlungen:
Zart besaitet, Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochsensible Menschen; Festland Verlag, Wien; Autor: Georg Parlow.
Sensibel kompetent, Zart besaitet und erfolgreich im Beruf; Festland Verlag, Wien; Autorin: Dr. Marianne Skarics
Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen, Moderne Verlagsges. Mvg, Autorin: Elaine N. Aron
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