Erstmals in ihrer Geschichte wurde die Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) um konkrete Hilfe gebeten, Griechenland kann dem Ansturm von Flüchtlingen über die türkische Grenze im so genannten Evros-Gebiet nicht mehr Herr werden. Frontex wurde im Rahmen des Amsterdamer Vertrages von 1999 (Ziel: Zugang von Menschen aus Drittstaaten abzuschwächen und den so genannten Asylmißbrauch bekämpfen) in die Wege geleitet, seit 2005 hat die Gemeinschaftsagentur mit Sitz in Warschau ihre Arbeit aufgenommen. Sie koordiniert im Wesentlichen die Zusammenarbeit der Grenzkontrollen der EU, bildet Grenzbeamte aus, erstellt Analysen und kann nach Anfrage zusätzliche Grenzbeamte entsenden, um Menschen in besagte Drittstaaten zurück zu führen. Die Situation in Griechenland am Evros-Fluss ist auch deshalb so prekär, weil die meisten anderen Zugangsrouten von der Frontex erfolgreich geschlossen wurden, der Landweg über den Grenzfluss ist der einzige offene Zugang. Derweil ist die Situation für die Flüchtlinge vor Ort äußerst prekär, die Inhaftierungscamps sind überbelegt, bislang wurden 2010 an die 34.000 Flüchtlinge aufgegriffen und inhaftiert, 44 Menschen sind bei dem Versuch den minenverseuchten Fluss schwimmend zu überqueren ertrunken.
Die griechische Administration hat seit Jahren mit wachsenden Flüchtlingszahlen zu kämpfen, Flüchtlinge aus dem asiatischen Raum (Afghanistan, Pakistan, aber auch aus Nordafrika und Albanien etc) versuchen so, in die EU zu gelangen. Erst vor kurzem wurden die Flüchtlingsrouten über die Ägäis erfolgreich verschlossen, auch dank der Arbeit der Frontex. Daher nehmen die meisten Flüchtlinge die Route über die Evros-Region, waren es vergangenes Jahr 9000 Menschen, sind es im laufenden Jahr schon 34.000. Daher nimmt es nicht Wunder, dass die örtlichen Behörden völlig überfordert sind, das Flüchtlingskommissariat der UN (UNHCR) schlägt Alarm. Das UNHCR kritisiert die Praxis, dass die inhaftierten Flüchtlinge keine Dolmetscher gestellt bekommen und deswegen meist nicht wissen, warum sie inhaftiert werden. Die überfüllten Haftanstalten weisen demnach eine desolate Hygiene aus, die Behörden vor Ort nehmen keine Unterscheidung von Kindern und Erwachsenen vor. Selbst solche Menschen, die regulär einen Anspruch auf Asyl hätten, werden nicht über ihre Rechte aufgeklärt, sie würden ebenso abgeschoben wie andere Flüchtlinge. Daher fordert das UNHCR die Sicherstellung von Standards (Hygiene, psychologische und bürokratische Betreuung), gar die Sicherstellung von menschlich würdigen Zuständen. So sollen Kleinkinder nicht eingesperrt werden.
Inzwischen ist die Abschottung Europas gegen unerwünschte Migrantenströme so erfolgreich, dass 90 % aller Flüchtlinge die Route über das Nadelöhr Griechenland nehmen müssen. UN-Sonderberichterstatter Manfred Nowak sagte: “ Das ist wahrlich ein europäisches Problem, welches nach einer europäischen Lösung verlangt.“ Im August vermeldete Griechenland, dass 52.000 Asylanträge noch bearbeitet werden müssen. Daher hat die UN nun von anderen EU-Ländern verlangt, keine Flüchtlinge nach Griechenland abzuschieben, um die eh angespannte Lage nicht zu verschlimmern.
Die Abschottung zur Festung Europa wird zusehends vollendet, so gibt es mit den nördlichen Maghreb-Staaten Vereinbarungen, die weitere Ströme an Flüchtlinge abfangen sollen, ohne dass Flüchtlinge nach Europa gelangen. So ertranken alleine bei einem Vorfall im letzten Jahr vor der italienischen Küste 300 Menschen vor der Küste Lybiens, wie viele Menschen insgesamt ertrinken, ist nicht bekannt, wobei Zahlen für 2010 von bis zu 3000 Tote kursieren. Die Lage im Mittelmeer gilt inzwischen als geklärt, die EU hat mit sämtlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten Abkommen abgeschlossen, wonach Flüchtlinge direkt vor Ort an der Flucht gehindert werden, im Gegenzug erhalten die Staaten Gelder.
Für die Flüchtlingsströme aus Afrika ist Europa höchstselber verantwortlich, die desolate Subventionspolitk der EU im Agrarbereich zerstören die örtlichen Marktstrukturen in Afrika. Aber auch die Ausbeutung fischreicher Seegegenden, (wie z.B. vor der Küste Somalias mitsamt Piraterie) sind hausgemachte Probleme, die letztlich zum Flüchtlingsdruck führen. Wenn 60.000 senegalesische Kleinfischer gegen die hochmoderne Fischerflotten Europas antreten müssen, wird schnell klar, wer hier unterliegt. Wohlgemerkt, diese 60.000 Fischer stellen 15 % aller Arbeitsplätze in Senegal dar. Ein anderes Beispiel sind die massiven Subventionen für die Fleischproduktion der EU, ein Kilo Hähnchenfleisch wird in Kamerun für 0,62 Euro angeboten, eben dank der Subvention. Da kann kein Bauer aus Kamerun mithalten, die Folge ist der Niedergang der örtlichen Wirtschaft, mit katastrophalen Folgewirkungen. Auf der Migrations- und Entwicklungskonferenz 2006 in Rabat vereinbarten 30 europäische und afrikanische Länder einen Aktionsplan gegen die unerwünschte Zuwanderung.
Auf der anderen Seite werden Fachkräfte aus Afrika gezielt abgeworben, ein Drittel aller Hochschulabsolventen Afrikas arbeiten in der EU oder in den USA, ein so genanntes Brain Drain ist die Folge (also der Abzug dringend benötigter ausgebildeter Fachkräfte). Insbesondere der Bereich der Gesundheitspflege leidet deutlich darunter, Afrikanische Staaten bilden für teures Geld und unter erheblichem Aufwand Krankenpfleger aus, die sie auch dringend benötigen, doch diese Kräfte arbeiten am Ende in den Industriestaaten. Ob die Überweisung von so genannten Transfergeldern dieses Dilemma aufheben, darf bezweifelt werden. Weit wichtiger ist nun eine offene Diskussion, die frei von xenophoben und populistischen Stimmungen geführt werden kann. Europa kann nicht durch seine unfaire Aussenhandelspolitik Armut in Afrika produzieren, und sich dann über die Flüchtlinge wundern. Wie sagte der damals amtierende Bundespräsident Köhler folgerichtig: “ Ich fürchte, wenn sich nichts ändert, wird sich die Zahl der Bootsflüchtlinge noch drastisch erhöhen. Die Grenzen Europas dagegen abzuriegeln, ist weder politisch noch moralisch eine Lösung.“