Ein Beitrag von Grzegorz Wasiluk, freier Journalist aus Polen:
Der an der Spitze der rechtsgerichteten bulgarischen Regierung stehende Ministerpräsident Boyko Borissow hat gänzlich seine Haltung zur Energiepolitik verändert. Am 2. Juli hat ihn sein russischer Amtskollege angerufen und Herr Borisow hat plötzlich fast vollständig seine Meinung zum Thema Gasprom und russische Machteliten geändert. Noch am Donnerstag flammte er vor Entrüstung auf die Ausbeuter von Gasprom und ihre Schirmherren in Moskau, forderte das strenge Verurteilen ihrer Teilhaber, d. h. der vorherigen Regierung in Sofia. Am Sonntag erklärte er: „Ich denke, dass ich keinen so üblen Dialog mit Wladimir Putin habe und es ist ziemlich gut. Er versteht mich viel besser als die bulgarischen Politiker aus der Opposition.“ Nach ein paar Tagen stellte sich heraus, dass die Regierung in Sofia wieder gänzlich die Süd-Gasleitung (South Stream) unterstützt . Gleichfalls soll das Atomkraftwerk in Belene durch russische Hilfe fertiggestellt werden. Von diesem Moment an war das zwischenstaatliche Abkommen über diese Angelegenheiten (das erste von denen wurde unterschrieben am 17. Juli) eine Formsache. Alles das ist nur Teil eines kunstvollen Planes, welcher für Russland eine Rolle als wirklich großen Mitspieler in Europa sichern soll.
Russland und Bulgarien verbinden eine sehr enge Beziehung (bis zum vierzehnten Jahrhundert war Wolgabulgarien Teil Rutheniens) und das griechisch-orthodoxe Glaubensbekenntnis. Russische Soldaten haben Bulgarien von der jahrhundertelangen (obwohl allmählich abnehmender Unterdrückung) türkischen Unterwerfung befreit. Ungeachtet dessen haben sich die Wege beider Länder nach der Befreiung Bulgariens getrennt. Die Bulgaren, unter starkem Einfluss der französischen Kultur befindend, haben daheim politische Einrichtungen des westlichen Types gegründet und werden demnächst deutsche Machthaber willkommnen heißen. In beiden Weltkriegen kämpfte Bulgarien auf der deutschen Seite. Daher ringt Rußland um seine freundschaftliche Einstellung gegenüber des bulgarischen Volkes und hegt gleichzeitig einen tiefen Groll.
Die meisterhaft russische Diplomatie…
… hat die Bulgaren vor vollendete Tatsachen gestellt. Einige Mittel wurden eingesetzt, um die Regierung von Borissow (die eine energetische Zusammenarbeit mit seinem großen slawischen Bruder ablehnte) in Schach zu setzen. Ich werde sie der Reihe nach erwähnen: 1) Unterzeichnung eines Abkommens mit Türkei in der Frage des Baues unter ungewöhnlich vorteilhaften Bedingungen (beinahe alle Kosten deckt Rosatom) des Atomkraftwerkes für die Türkei. Dies hat sofort Neid in Bulgarien ausgelöst. 2) Dem Ministerpräsidenten Borisow hat man deutlich gemacht, wenn der Name seiner Partei unverändert Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) heißt, um symbolisch eine Distanz zu Russland zu halten, dies selbstverständlich die Angelegenheit eines souveränen Staates sei. Doch die russische Regierung könne ihrerseits ebenso souveräne Entscheidungen treffen, nämlich: A) seine große Gasleitung durch Rumänien führen – und eben nicht die kürzere untermeerische Trasse über Bulgarien zu nutzen; man fing schon sogar an die Strecke auf der Landkarte zu entwerfen (und dann durch Ungarn und Slowenien nach Österreich und Italien), und vermutlich: B) sich an Buchstaben der geltenden Gaslieferverträge zu halten (und die Preise des Gases nicht zu ermäßigen).
In der Lage einer eskalierenden Wirtschaftskrise in Bulgarien (die Regierung erhöht Steuern und senkt Gehälter in öffentlichen Betrieben und Verwaltungen sowie Sozialleistungen angesichts der Gefahr eines Zusammenbruchs des Haushaltsplans , was eine Wiederwahl nach dem Abschluss der derzeitigen Amtsperiode erschwert) und aus Erfordernis der Staatsraison wurde die Stärkung der Wirtschaft in den Mittelpunkt der bulgarischen Regierung gerückt, die sich auf Einnahmen der Transitgebühren und billigen Strom aus Kernkraftwerk stützen könnte. Vorübergehend kann Bulgarien sich mit einer Anleihe aus dem IWF (man plant sie im nächsten Jahr zu nehmen) aushelfen. Auf Dauer wird sie aber diese Anleihe zürückzahlen müssen. Dank der billigeren Elektroenergie und dem weniger kostbaren Erdgas könnte die bulgarische Wirtschaft mehr Exporte tätigen.
Fast gleichzeitig gab Borissow zu verstehen, die Pflicht der bulgarischen Regierung sei die weitere Arbeit über die Durchführung der Nabucco-Gas-Transit-Pipeline (als eine notwendige, von EU und USA geförderte Gegen-Gasleitung zur Südgasleitung-Southstream). Man hat den Premierminister Borissow an sein jüngstes Versprechen erinnert, dass das Atomkraftwerk in Belene nur dann enstehen wird, wenn es einen glaubwürdigen (westlichen) Investitionsträger zu finden gelingt. Natürlich kann man behaupten, dies war kein Versuch die bulgarische Souveränität einzuschränken, doch ist die Einmischung offensichtlich. Trotz des Vergehens von über vierzig Jahre, seit dem Augenblick ihrer Anwendung (Tschechoslowakei 1968) blieb die Breschnew-Doktrin (die beschränkte Souverenität der Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes) eine offene Wunde im politischen Bewußtsein der Völker Mittel-Ost-Europas. Es ist einfach sich über das Verhalten der Behörden eines Landes zu entrüsten. Es ist viel schwerer ihr eine Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme zu sichern. Der US-Botschafter hat vergessen, die Natur verabscheut das Vakuum. Der Ausgang der Affäre war auch lehrreich. James Warlick ist am Tag des Unterzeichnens des russisch-bulgarischen Einvernehhmens in Warna eingetroffen (förmlich auf die Einladung des Bürgermeisters dieser Stadt) und hat indirekt seine Behauptungen lobend Gasprom kritisiert sowie den Bulgaren gratuliert, dass sie jetzt an zwei interessanten Projekten auf einmal teilnehmen werden.
Am 13. Juli erschien in der deutschen Wirtschafts-Tageszeitung „Das Handelsblatt“ ein Artikel, der vor dem zunehmenden Einfluss von Gasprom warnt, dessen Werkzeug Altkanzler Gerhard Schröder sei. Bereits am Anfang schrieben die Verfasser, dass der Kreml das Erdgas als Waffe betrachten würde, obwohl förmlich seine Hauptwaffe immer noch die Rote (sic!) Armee sei. Derartige Einleitungen deuten auf die Haltung der Verfasser hin, die die Positionen der US-Neo-Konservativen einnehmend der Meinung sind , dass Russland lediglich das Erbe des Staates Lenins sei, welches man befürchten muss und beschränken solle. Übrigens kein Wunder, da seit ein paar Jahren „Das Handelsblatt“ mit Dow Jones Verlag und „Wall Street Journal“ verknüpft ist. Dies bedeutet natürlich nicht automatisch, dass der Aufsatz überhaupt nicht ernst zu nehmen ist.
Nun erinnern die Redakteure des Handelsblattes an eine allgemein bekannte Tatsache; Gerhard Schröder war und bleibt ein großer Befürworter der möglichst umfangreichen deutsch-russischen Zusammenarbeit, und der gegenwärtige Chef des Energie-Konzerns RWE, Jürgen Großmann, zähle seit langer Zeit zum engeren Freundeskreis des Herrn Schröder. Die russische Administration und der Alt-Bundeskanzler versuchen mit allen Tricks den Chef von RWE zum Seitenwechsel zu veranlassen, damit er die Südgasleitung (South Stream) statt der Nabucco-Gas-Transit-Pipeline unterstützt. Aber nein! – lautet die Antwort des Angesprochenen. Der ehemalige Kanzler spricht dann und wann ein paar Worte zugunsten Gasproms und beschreibt in schillernden Farben große Perspektiven der deutsch-russischen strategischen Partnerschaft. Es gibt jedoch einen handfesten Beweis seiner „Schuld“; die Nord-Gasleitung (Nord Stream) ist schon im Bau und Nabucco steckt immer noch in Kinderschuhen.
Verzeihung, aber angesichts des völligen Mangels von Erfolgen der polnischen Fußball-Nationalmannschaft sollte man bedenken, der DFB hat Lukas Podolsky auf seine Seite gezogen! Sofern mir bekannt ist, ist ein Hauptgrund der fehlenden Realisierung der Nabucco-Pipeline der mangelnde Rohrdruck, d. h. der Mangel an verlässlichen Lieferanten-Länder. Irak, Iran und Turkmenistan sind von einem Bürgerkrieg bedroht oder befinden sich im Krieg mit den Vereinigten Staaten, beziehungsweise machen Geschäfte mit den Chinesen. Allein das Erdgas aus Aserbaidschan wird schlicht und einfach nicht ausreichen, um die Nabucco-Line zu betreiben. Wo also das viele Geld anlegen? Solche Risiken wirken höchst abschreckend. Man darf bezweifeln, ob sogar amerikanische Firmen es auf sich nehmen werden. Meiner bescheidenen Meinung nach war Nabucco von Anfang an kein wirtschaftliches, vielmehr ein politisches Vorhaben, ja vielleicht sogar ein ideologisches Vorhaben (russische Einflüsse begrenzen, denn Russland sei der Staat Lenins und so weiter). Das bedeutet aber nicht, dass die deutsch-russische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energie nicht einer Kritik unterzogen werden darf.
Ende einer Kette der Mittelhändler
Das russische Erdgas wurde bisher mit nicht weniger als drei Vermittlern (Gaspromexport, Wintershall und Overgas) geliefert. Die erste Firma kann als unerlässlich angesehen werden, weil es eine Tochtergesellschaft ist, die sich mit dem Vermischen und Pressen in verschiedenen Richtungen des russischen und zentralasiatischen Erdgases zum Verkauf ins Ausland beschäftigt. Die zwei weiteren Gesellschaften legen ihre Gewinnspanne (bis zu einem Gesamtwert von etwa 33%) auf den Preis für Gas, bebor dieses die Endverbraucher in Bulgarien erreicht. Im Ergebnis: Russland befördert das Gas nach Bulgarien zu einem Durchschnittspreis von etwa 339 $ pro 1000 cbm, aber individuelle Abnehmer vor Ort bezahlen etwa 576 $ für die Menge, die Industrie dagegen 472 bis 502 $. Die Rolle der Gesellschaften wie Wintershall (mit Hauptsitz in Kassel!) ist mäßig zu begreifen. Der Konzern Wintershall ist der größte deutsche Erdöl- und Erdgasproduzent. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik gibt es jedoch einfach zu wenig Lagerstätten. Aus diesem Grunde kam es in den letzten Jahren zu seiner unmittelbaren Beteiligung an der Erdölförderung in Sibirien (2006), zwei Jahre später auch bei der Förderung von Erdgas.
Wovon wird Wintershall nach dem Verlust zusätzlicher Einnahmen leben (und wie kann Gasprom seine schwer arbeitenden deutschen Geschäftspartner entschädigen)? Weitaus weniger klar ist die Sache mit Gesellschaft Overgas, die (wie der Name deutet) dies und jenes gemein mit angelsächsischen Ländern hat. Nun, die Hälfte (50 % Anteilscheine) von Overgas gehört Gasprom, und die andere zu einem in London eingetragenem (aber in der Praxis auf Zypern arbeitendem) Investitionsfonds DDI Holdings Ltd. Die Liste der Anteilhaber der letzteren wird geheim gehalten. Gegründet in 1992 baute Overgas viele Jahre lang Gasleitungen in Bulgarien und liess Gasprom diese benutzen. In 1999 wurde der englischsprachige Überbau zugefügt. Seitdem hat Gasprom definitiv(dank der auferlegten Gewinnspanne auf das Erdgas) seine Aufwendungen zurückbekommen.
Der Überbau, von welchem manchen Quellen zu sagen pflegen, er sei eine Sammelbüchse für russische Spione, wurde (und wird sicher noch) für vielseitige Tätigkeiten eingesetzt; dem Kaufen verschiedener Einflüsse, der Gefälligkeiten und anderer förmlichen oder informellen, aber in jedem Fall unauffälligen politischen, wirtschaftlichen und anderen Handlangerdiensten. Es gibt in der Welt Menschen die sehr gut verdienen, ohne fürs Brot im Schweiß seines Angesichtes arbeiten zu müssen. Es geschieht dank ihrer Verbindungen und Beziehungen, die ihnen manchmal unschätzbare Gefälligkeiten tun. So ist diese Welt bereits wenigstens seit ein paar Jahrhunderten errichtet. Dies ist keine russische Erfindung und nicht allein Russland profitiert davon. Was die Aktiengesellschaft Overgas selbst anbetrifft, die muss gar nicht endlos Abnehmer des Erdgases in Bulgarien ausbeuten. Bereits seit Monaten hat Gasprom mit ihrer Vermittlung ihre Überschüsse an CO2-Zertifikaten zu verkaufen angefangen. Daher soll niemand zweifeln, dass das herzliche Einvernehmen (erstrebt vom russischen Minister der Energie, Sergej Schmatko, und dem bulgarischen Wirtschaftsminister Trajtscho Trajkow) von dem stärkeren Mitspieler diktiert wird, die umfangreiche bulgarische Mitwirkung bei der Fertigstellung der Südgasleitung bis 2015 als Austausch für beträchtliche Vorteile für die bulgarische Seite (darunter die Auflösung der Kette der Vermittler) wird sicher gestellt .
Kernkraftwerk in Belene – hoffen und harren macht manchen zum Narren
Zur Zeit des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe zu Zeiten der Sowjetunion) und noch viele Jahre nach seinem Zerfall war Bulgarien in der Lage, den eigenen Bedarf für Elektroenergie gänzlich zu decken und zusätzlich 20 Prozent ins Ausland (den Nachbarländern) weiterzuverkaufen, dank des Atomkraftwerkes in Kosloduj. In 2002 hat die Internationale Agentur für Atomenergie (IAEO) zugebilligt, dass die Reaktoren Nummer 3 und 4 dieses Kraftwerkes internationale Normen der Sicherheit erfüllen und somit bis zum Jahr 2012 genutzt werden können. Dazu war es gekommen, weil der staatseigene Energiekonzern EAD durch den Einkauf einer kostbaren elektronischen Ausstattung zum Steuern der Arbeit der beiden Reaktoren sicher gestaltete. Am Ende des Jahres 2006 wurde das Kraftwerk in Kosloduj geschlossen, auf Ersuchen der Europäischen Kommission als Austausch für die Annahme des Landes zur EU. Die Regierung in Sofia hatte das Versprechen erhalten, dass es keinen Widerspruch gegen die Fertigstellung des begonnenen Bauvorhabens (schon in den 80ern, gleichfalls vier Reaktoren zählend) des Atomkraftwerkes in Belene geben wird. Ahnungslos haben die Bulgaren diese Bedingungen angenommen. Es erwies sich jedoch, dass ungeachtet der unaufhörlichen Anstrengung und der Bitten, gerichtete hauptsächlich an die Energiekonzerne in Deutschland, keine Hilfen der EU für den Bau des AKW in Belene geleistet wurden. Die Erfahrungen Tschechiens, der Slowakei, Finnlands und Litauens haben bewiesen, dass neuen Mitgliedern der EU nicht gelingen wird, eine atomare Energie ohne Russland weder zu unterhalten noch zu entwickeln. Einzig und allein mit Moskau´s Hilfe ist diesen Ländern möglich, sich dem Streben der Brüsseler Bürokratie entgegen zu stellen. Die Brüsseler Bürokratie ist bemüht, das Anrecht der friedlichen Anwendung der Atomenergie in den ehemaligen Ostblockstaaten zu torpedieren. Das sind keine leeren Worte, nur Tatsachen. Warum die Politik Brüssels so ist, wäre natürlich Mühe wert in einem weiteren Beitrag im Einzelnen zu erklären.
Die Regierung von Borissow versuchte einen strategischen Investitionsträger aus dem Abendland einholen, hat aber endlich schmerzlich erfahren, dass die westlichen Länder tatsächlich einen Schlußstrich unter dem Vorhaben gezogen haben. Am 6. Juli wurde, in Folge der Verhandlungen des Ministerpräsidenten Borissow und des russischen stellvertretenden Ministerpräsidenten Zubkow in Sofia, eine Vereinbarung getroffen. Bereits im September soll aus Russland der erste Atom-Reaktor geliefert werden. Die vertraglich festgeschriebene Bedingungen sollen außerordentlich vorteilhaft für die bulgarische Seite sein. Gebühren, die zur Rückgabe der Kredite in der Gesamthöhe von etwa 7 Mrd. Euro abgeführt werden, sollen dazu führen, dass Bulgarien so schnell wie möglich billigen elektrischen Strom für den Eigenbedarf bekommt. An Stelle von RWE werden der deutsche elektrotechnische Konzern Siemens und der französische Atomriese Areva eintreten, um die Bedingung eines westlichen Investitionsträger zu erfüllen. Das Bauvorhaben, welches in letzter Zeit stockte, ist erst nach dem Erreichen des strategischen russisch-bulgarischen Einvernehmens in Bewegung gekommen. Es war vorhersehbar. Deutsche haben nicht die kleinste Absicht die Russen zu stören, Franzosen die Deutschen, Amerikaner die Franzosen, Kanadier die Amerikaner… Das Konzert der Mächte spielt derzeit die gleiche Melodie.
„Vorwärts Russland!” – solche Parolen ertönen heute aus dem Kreml
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat klar und deutlich aufgezeigt, dass es zwei sich einander ausschließende Haltungen gibt, dort wo die Probleme auftauchen kommen Wirtschaft und Politik zusammen. Man kann den Geboten der Ideologie huldigen oder Geschäfte machen. Das vergangene Jahrhundert hat bewiesen, dass die erste Haltung den Weg zur Niederlage einleitet. So beschreibt der einflussreiche deutsche Politologe kurländisch-russischer Herkunft Alexander Rar (Alexander Rahr) die gegenwärtige Lage auf diesem Gebiet : „Im Westen dagegen ist die Position Russlands gegenüber anders – niemand will mit Russland streiten, aber zum europäischen gemeinsamen Tisch will niemand im Westen einladen. Denn Russland jagt Angst ein. Russland ist als nicht-demokratisches Land zu betrachten, als ein Land mit seinen eigenen, nicht-europäischen, darunter geopolitischen, Ambitionen. […] Die einzige Chance, dass sich die Situation ändern kann, wären eine absolut dramatische Veränderungen der Situation in der Welt, wenn Europa verstehen wird, dass es Russland braucht, dass es keinen anderen Ausweg gibt als gemeinsam gegen den internationalen Terrorismus zu kämpfen, der eine tödliche Bedrohung für die Menschheit bedeutet. Oder wenn zu den Business-Projekten kommt, die umgesetzt werden und den Europäern wirklich gutes Geld bringen.“
Im Gegensatz dazu verstehen deutsche, französische und italienische Konzerne, dass ihnen kein neuer Breschnew, aber ein Mindergewinn bedroht. Dagegen sieht man anhand des Beispiels Bulgarien, eine ausschließliche Wirtschaftszusammenarbeit mit dem Abendland führt dazu, dass Arbeitslose in den neuen Mitgliedsstaaten der EU hoffnungslos und ohne Ende Pflaster treten werden. In der Rivalität der Großmächte wurde ein Fehler der Einen zum Wurzel der Kraft der Anderen. Männer des Kremls sprechen das nicht direkt aus, geben aber ausdrücklich zu verstehen, dass nun mit ihrer Hilfe diese Staaten ihre Schicksalswendung suchen sollen. Das ist ein wichtiger Faktor im russischen geopolitischen Spiel, aber die russische Machteliten brauchen ein Land, wo sie dies vorführen können. Bulgarien eignet sich ausgezeichnet als Schaufenster der strategischen Mitarbeit mit Russland. Der Erfolg dieses Vorhabens (eine wirklich ernste Besserung der Wirtschaftslage Bulgariens) wird einen außerordentlichen und vielseitigen russischen (aber nicht nur nicht allein russischen) Sieg bedeuten. Das wird ein Sieg des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern und der mehrpoligen Welt über rigorose Abgrenzung der Einflussbereiche auf Kosten kleiner und mittlerer Länder sein.
Allerdings bevor irgend etwas von diesen wahrhaftig großen Plänen des Kremls Wirklichkeit werden kann, kann es zu der sog. Shale-Gas-Produktion Revolution kommen, welche Gasmärkten auf den Kopf stellen werden. Es gibt solche Leute, die den Anfang des Endes von Gasprom, wie auch der Fördergesellschaften im Nahen Osten, voraussehen. Das bezweifle ich. Die Geschichte der US-amerikanischen Industrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist voll epochaler Erfindungen, die nur halbweise oder ganz und gar nicht verwendet wurden, weil sie die Gewinne großer Konzerne bedroht haben. Die Konzerne wollten schon investierte Gelder in weniger blendenden Lösungen wiederbekommen. Wer erinnert sich an heute z.B. an Preston Tucker oder Edward LaForce, die waren überzeugt, dass sie die Autoindustrie revolutionieren würden? Wenn die Tilgung der Investitionen US-amerikanischer Konzerne in das gewöhnliche Erdgas bedroht würde, die Tonschieferformationen würden sehr schnell zu einem geschlossenem oder aufgeschobenem Thema gelangen. Als eine weitaus größere Bedrohung für die steigende Nachfrage nach Erdgas kann sich die Umweltpolitik der EU, mit energieverbrauch-senkenden Vorschriften für den Wohnungsbau, erweisen. Dies bedeutet, dass wenn South Stream vor Nabucco (oder umgekehrt) fertigestellt wird, wozu sollte die zweite Gaspipeline gebaut werden, wenn die Nachfrage eh sinkt? Russland muß sich beeilen die Notlage der Vereinigten Staaten und der EU auszunutzen, und eben dies macht Russland momentan auch.
NS
Ereignisse und Erklärungen der zweiten Hälfte von Juli und des Anfangs von August sind zweideutig. Einerseits niemand in Sofia oder Moskau sagt, dass grosses Einvernehmen zwischen den beiden Ländern war ein Fehler. Andererseits wieder es gibt Signale, dass sich die Regierung von Borissow noch anders überlegen kann. Zwei Ministerpräsidenten haben wieder ferngesporchen, aber diesmal Herr BB war gar nicht zufrieden. Ein britisches Firma hat neue Erdgasablagerungen in Bulgarien selbst entdeckt und den Bulgaren das blaue vom Himmel herunter verspricht. Niemand in Gabineten der westlichen Machteliten ist dumm. Oben geschriebene russische Absichten bedeuten doch Bedrohung irgendwelches ernsthafter Interessen oder der Möglichkeiten Geld zu machen. Die große Politik der Großmächte geht weiter.
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Grzegorz Wasiluk hat auf Online-Presseportal verschiedene Analysen veröffentlicht, z.B:
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