Die royale Traumhochzeit in Schweden- oder die Sehnsucht nach Glamour: ein Kommentar

Um ehrlich zu sein, mich persönlich interessiert die royale Traumhochzeit in Schweden weniger, als eine Hochzeit oder Geburtstagsfeier in meinem Freundes- oder Verwandtenkreis, ja selbst die wilden Rehe auf der Wiese oder der Vogel im Garten vor meiner Haustür sind interessanter. Doch die breite mediale Berichterstattung verunsichert mich; irgendwie muss diese Hochzeit von großer Bedeutung sein, wenn die Hochzeit gleich als erster Beitrag in sämtlichen Nachrichtensendungen im Fernsehen auftaucht. Dass das ZDF, der staatseigene und royale Sender für Anlässe dieser Art, einen ganzen Nachmittag an Sendezeit für die Hochzeit einräumt, ist schon normal, schließlich wollen auch renitente Rentner was von der Welt sehen. Das aber auch die wichtigsten Online-Nachrichtenmedien, von Spiegel über Stern und vor allem Bild, über die Hochzeit von Victoria und Daniel berichten, bedeutet wohl, dass mir die Bedeutung dieser Hochzeit entgangen ist. Vor allem „Bild“ gab sich redlich Mühe, ja sie haben sogar einen royalen Kalfaktor abgestellt, der mit einer Stoppuhr genauestens gemessen hat, wann was welcher Adliger gemacht hat; „…15:34 Uhr… Victoria steigt aus der Limousine aus…15:51 Uhr das Jawort…“ Ein Ereignis, welches so breit in den Medien aufgefächert wird, muss von globaler Bedeutung sein, ich begebe mich auf die Sinnsuche.

Nach intensivem Konsum der Nachrichten bin ich über den Ablauf dieser Hochzeit bestens informiert. Ich weiß, dass die Schleppe der Braut neun Meter lang war, dass das schlichte aber seidene Hochzeitskleid von dem Lieblingsdesigner Victorias, Per (Bild: Pär) Engsheden, kreiert wurde (hier macht die Hochzeit endlich Sinn: maßgeschneiderte Werbung), und ich Ignorant kannte den Designer nicht. Je nach Quelle hatten 100.000 (ARD, ZDF, Spiegel), 200.000 (Stern) oder 300.000 (Bild) Schweden an diesem Samstag nichts besseres zu tun, als die Kulisse für die royale Hochzeit zu bilden. In der Kirche waren es 30 Grad Celsius heiß, nein nicht die Klimaerwärmung, sondern die Kameralichter waren dafür verantwortlich. Ich  weiß, dank Bild, dass Victoria ganz hart und Daniel ganz zart ein „Ja“ gehaucht haben. Sogar das königliche Protokoll wurde seitens Victoria gebrochen, auf den Treppen vor dem Dom gab sie Daniel endlich einen feuchten Schmatzer. Volksnah heißt das dann, mal ehrlich, haben Sie unsere Bundeskanzlerin Merkel mit ihrem Gatten knutschen sehen? Kennen Sie überhaupt Joachim Sauer? Wenn Sie nicht zufällig Chemie an der HU Berlin studieren, dann wohl kaum.

Weiterhin werden wir von der Aftershow-Party unterrichtet, wo nur 400 geladene Gäste im Verborgenen feiern durften usw. Schlauer bin ich schon, was den Hochzeitsablauf angeht, aber bis auf eine Schleichwerbung für einen schwedischen Designer erkenne ich nicht auf Anhieb, warum es Menschen in Deutschland interessieren sollte, wie es im schwedischen Königshaus hergeht. Da wir aber in BWL lernen, Angebot und Nachfrage und so, muss die Hochzeit sehr wohl von allgemeinem Interesse sein, als dass Nachrichtenmacher diese Hochzeit peinlichst genau sezieren. Im Mittelalter, zu Zeiten „echter“ Monarchien, war die Nachfolgeregelung sehr wichtig, eine ungeklärte Thronnachfolge zog meist einen Bürgerkrieg nach sich. Selbst in den verbleibenden echten Monarchien in Europa (Lichtenstein, Andorra, Monaco) ist heutzutage kein Bürgerkrieg zu erwarten, selbst wenn die Blaublüter keine Nachkommen zeugen können. Und da der König von Schweden lediglich repräsentative Aufgaben wahrnimmt, Schweden im Grunde eine parlamentarische Demokratie (genauer eine konstitutionelle Monarchie) ist, erübrigt sich die Frage nach einem Bürgerkrieg. Daher bleibt nur zu vermuten, dass diese Bilder einer königlichen Hochzeit gewisse Sehnsüchte eines Großteils der Bevölkerung stillt. Daher auch die Umschreibungen zu einer „Traumhochzeit“, eine romantische Sehnsucht nach Prinzen und Prinzessinnen, die auch noch um ihre Liebe kämpfen müssen, ganz Disney-like.

Die Rolle der europäischen Monarchien; erstens die Veranstaltung der Traumhochzeit, damit lassen sich viele Exemplare von Bunte und Gala füllen. Hier spielt die Länge der Schleppe eine wichtige Rolle!  Dann im Laufe der Ehe (ja auch Adlige sind Menschen) die ganzen Skandale, mit denen die genannten Blätter ihre Daseinsberechtigung rechtfertigen, denken Sie nur an Lady Di und co. Dann kommt es zur Inthronisierung, die romantischen Sehnsüchte und Vorstellungen von Otto-Normalverbraucher werden gestillt, je pompöser, desto besser. Und natürlich das Ableben eines Königs/Königin, hier können die Tränendrüsen endlich freien Lauf nehmen. Die Rolle der Monarchen als repräsentative Vertreter ihrer Länder (oder des gesamten Commonwealth wie in Großbritannien) ist eher nebensächlich, ist zwar chic, einen echten König mit Krone und Brimborium zu Staatsbesuch zu einem afrikanischen (oder arabischen oder, oder…) Diktator zu schicken, zur Not tut es aber auch ein bürgerlicher Ministerpräsident.

Wie man es dreht oder wendet, einen Sinn für das mediale Wiederkäuen tut sich mir nicht zwingend auf, ja mein Verdacht erhärtet sich, dass Bunte und Gala subversiv die verbliebenen Monarchien stützen, um eine Grundlage für ihre Art der Berichterstattung zu sichern. Wie heißt es so schön, jedes Volk verdient die Medien, die es konsumiert. Na denn, bis zum nächsten Skandal. Ach ja, Online Presseportal wünscht den frisch Vermählten alles gute, nein, allen heiratswilligen Paaren wünschen wir nur das Beste.

2 Comments
  1. Reply
    Evo_user 22. August 2010 at 23:42

    Schon seltsam, das in den letzten Jahren vermehrt unbequeme Publizisten etwas angehängt bekommen und Menschenrechtler ermordet werden.

  2. Reply
    Sebastian 19. Oktober 2010 at 14:17

    Man kann ja geteilter Meinung über das Spektakel sein, aber merken würde ich mir die Details trotzdem nicht . . .

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