Tunesien am Tag nach der Flucht des ehemaligen Diktators Ben Ali wirft immer noch Fragen auf, nach der kurzzeitigen Ernennung des Innenministers Ghannouchi wurde Parlamentspräsident Foued Mebazaa zum Interimspräsidenten ernannt. Massive Kräfte der tunesischen Armee zeigen Präsenz auf den Straßen der Hauptstadt Tunis, auch um Plünderer abzuschrecken. Nun muss Mebazaa bis zu den angekündigten Neuwahlen die Regierungsgeschäfte mit einem so genannten Kabinett der nationalen Einheit weiterführen.
In der Nacht waren vereinzelt Schüsse in Tunis zu hören, doch im Großen und Ganzen blieb es recht ruhig in Tunesien. In der Nacht zuvor war es recht unruhig, Ausschreitungen waren landesweist zu verzeichnen. Daher blieben am Samstag die meisten Geschäfte geschlossen, die meisten Schüler blieben gleich zu Hause. Um Plünderungen zu verhindern hat das tunesische Militär große Kräfte aufgeboten. In Monastir hat ein Brand in einem Gefängnis zum Tod von 42 Menschen geführt.
Mebazaa hat zur nationalen Einheit aufgerufen, in einem Interview hat der Interimspräsident bestätigt, auch den Anführer der Progressiven Demokratischen Partei Najib Chebbi zur Regierungsteilnahme eingeladen zu haben. Dieser will dennoch Neuwahlen sehen, spätestens in sechs oder sieben Monaten sollen diese stattfinden. Doch laut Verfassung müssen Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden, viel zu kurz, als das potentielle Kandidaten einen richtigen Wahlkampf führen könnten.
Ein weiterer Oppositionspolitiker, Mustapha Ben Jaafar aus der FDTL (Forum démocratique pour le travail et les libertés), wurde ebenfalls eingeladen, um an der Einheitsregierung mitwirken zu können. Der einst vertriebene Anführer der radikalen Islamisten, Rached Ghannouchi, möchte innerhalb weniger Wochen nach Tunesien zurückkehren.
Derweil patrouillieren auch freiwillige Nachbarschaftshilfen, um eben Plünderungen zu vermeiden. Die meisten Unruhen seien eh von Anhängern Ben Alis geschürt worden, so der einhellige Tenor in Tunesien. Die meisten Übergriffe haben dennoch auf Güter von Ben Ali und seiner Familie stattgefunden, Ben Ali hatte die Vetternwirtschaft zur Vollendung gebracht, und hat regelrecht Posten und Güter innerhalb der Familie aufgeteilt. Doch auch Interimspräsident Mebazaa zählt zur alten Garde und damit als höchst korrupt. Derweil manövriert sich der Präsident des Nachbarstaates Libyen ins Abseits, Muammar Gaddafi lobte Ben Ali in höchsten Tönen.