Das vorläufige Wahlergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gibt Aufschluss über die Gemütslage der bundesdeutschen Parteienlandschaft. Die Wahl, im Vorfeld als „kleine Bundestagswahl“ hochstilisiert und im Ergebnis eine Wiederspiegelung einer gesamtdeutschen Wahl darstellen könnte, verheißt interessante Koalitionsverhandlungen, gemäß dem Motto, wer darf und wer hat noch nicht. Nach der Premiere von Schwarz-Grün in Hamburg und dem Jamaika-Experiment (CDU-FDP-Grüne) im Saarland, haben nun die Linken den Einzug in den Landtag in Nordrhein-Westfalen geschafft, und damit das bunte Treiben der Koalitionsmöglichkeiten eröffnet.
Nun zum vorläufigen Ergebnis. Die CDU hat, nach der anrüchigenSpendenaffäre im Vorfeld der Wahl (Annahme von anonymisierten Spendengeldern einer „Bürgerinitiative“) und der Eskapade um die Griechenland-Krediten, mit einer Wahlschlappe rechnen müssen. Die Haltung der Bundeskanzlerin Merkel mit Hinblick auf eben diese Landtagswahl (keine Kredite an Griechenland) hat der CDU eher geschadet, als wie anfangs geplant. Nun rächt sich, dass der Bevölkerung die Alternativlosigkeit der Kredite nicht von Anfang an aufgezeigt wurde. Daher nimmt es nicht wunder, dass die CDU 10,2 % der Wählerstimmen verliert (2005: 44,8%, 2010: 34,6%), die CDU bleibt aber allem Anschein nach stärkste Kraft. Hiermit scheint auch die politische Zukunft des bisherigen Ministerpräsidenten, Jürgen Rüttgers, besiegelt zu sein, zumindest auf landespolitischer Ebene.
Hauchdünn dahinter kommen die Sozialdemokraten mit 34,5 % der Stimmen (2005: 36,5 %). Die SPD hat unter Hannelore Kraft ein Ergebnis einfahren können, und zwar das Schlechteste seit 50 Jahren für die SPD in NRW ist (- 2,0 %), das dennoch die Talfahrt der SPD zu beenden scheint. Zudem deuten die Sozialdemokraten das Votum als Wechselwillen der Bevölkerung, Rüttgers sei abgewählt. Schon scheint ein neuer Politstar der SPD geboren: Hannelore Kraft.
Als zweiter großer Verlierer des Abends gelten die Liberalen der FDP. Zwar haben die Liberalen einen Stimmenzuwachs von 0,5 % zu den letzten Wahlen einfahren können (2005: 6,2 %, 2010: 6,7 %), aber eine Koalition zwischen CDU und FDP ist nicht mehrheitsfähig. Damit verliert Schwarz-Gelb das Regierungsmandat in Nordrhein-Westfalen. Guido Westerwelle spricht gar von einem Warnschuss, er nahm wohl das „Gerede“ von der kleinen Bundestagswahl zu wörtlich.
Die Grünen haben auch ihr erklärtes Ziel verpasst, die Koalition mit der SPD. Hier reichen die Stimmenanteile beider Parteien nicht. Dennoch fahren sie ein sensationelles Ergebnis ein, sie konnten um 5,9 % zulegen (2005: 6,2 %, 2010: 12,1 %), bislang das beste Wahlergebnis für die Grünen bei einer Landtagswahl. Damit darf die Chefin der NRW-Grünen, Sylvia Löhrmann, zu Recht zufrieden sein.
Als fünfte Kraft dürfen die Linken erstmals in den Landtag von Nordrhein-Westfalen einziehen. Sie haben die Hürde mit 5,6 % überwinden können. Die deutsche Parteienlandschaft scheint dauerhaft um die Linken ergänzt zu werden, die Partei hat auch im Westen endgültig sich integrieren können. Der Einzug der Linken verärgert ein klein wenig die anderen Parteien, werden doch dadurch Mehrheitsverhältnisse schwieriger zu finden sein.
Koalitionsmöglichkeiten
Eine bequeme Mehrheit hätte die Koalition von SPD und CDU. Die Große Koalition ist keineswegs eine Liebesbeziehung, dennoch werden die Parteien sich hüten, Koalitionsverhandlungen untereinander auszuschliessen, bietet sich doch solch eine Option als Druckmittel für Verhandlungen mit den kleineren Parteien. Hier müsste Rüttgers als Ministerpräsident weichen, und ob er sich als einfacher Minister einordnen wird, ist mehr als fraglich. Dasselbe gilt für die Jamaika-Option, obschon Grüne und FDP programmatisch meilenweit voneinander entfernt sind. Eine Ampelkoalition (Rot-Gelb-Grün) ist aus denselben Gründen nahezu unmöglich, zumal die FDP nicht so gerne mit der SPD möchte. Eine Links-Links Koalition (SPD-Grüne-Linke) ist bislang auch nicht ausgeschlossen, wird aber stiefmütterlich behandelt. Was im Osten schon längst möglich war, ist im Westen noch verpönt. Ob eine Koalitionvon SPD und Linkegerade jetzt in NRW gebildet wird, oder erst in Zukunft, ist nur noch eine Frage der Zeit. Vielleicht sollte die CDU in Zukunft sich auf Koalitionsverhandlungen mit den Linken einstellen.
Diese Wahl wird die Arbeit der Bundesregierung erheblich erschweren, Schwarz-Gelb verliert die absolute Mehrheit im Bundesrat. Schon kündigt Sigmar Gabriel, seines Zeichens Chef der SPD, an, Kopfpauschale, AKW-Ausstieg-Ausstieg und Co im Bundesrat blockieren zu wollen. Keine angenehmen Aussichten für Bundeskanzlerin Merkel, die vielleicht doch mit der kleinen Bundestagswahl zu hadern hat.
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